Der VORWURF eines Göttinger Rechtsanwaltes:


,,Organisierter Massenbetrug”
Sarstedt/Göttingen (tw). Der Reinfall des Sarstedters Michael Kowalski ist kein Einzelfall. Die Kanzlei seines Rechtsanwaltes Dr. Reiner Fuellmich in Göttingen betreut nach eigenen Angaben 3500 Mandanten, die sich durch ähnliche dubiose Immobilien-Geschäfte über den Tisch gezogen fühlen. Der Schaden belaufe sich pro Mandant auf durchschnittlich 200 000 Mark, erläutert Fuellmich. ,,Das ist organisierter Massenbetrug”, sagt er.
Dieser Meinung ist auch der Schutzverband für Verbraucher und Dienstlelstungsnehmer (SVD), ein bundesweiter Zusammenschluss von Betroffenen. Er geht davon aus, dass Banken seit den 80er Jahren Kredite in Höhe von 300 Milliarden Mark für unseriöse Immobilien-Geschäfte ausgegeben haben. Rund zwei Millionen Familien seien betroffen.
Der Göttinger Rechtsanwalt hält diese geschätzten Ausmaße allerdings für übertrieben. Er beziffert das Volumen ähnlicher Immobilien-Geschäfte, die über die Hypo Vereinsbank abgewickelt wurden, auf elf Milliarden Mark. Nach den Erfahrungen Fuellmichs und des SVD ist die Hypo Vereinsbank besonders oft beteiligt.
,,Ich habe mich zunächst wissenschaftlich mit diesen Fällen beschäftigt”, berichtet er. Doch dann habe er gemerkt, dass sie nicht nur ein ,,Elfenbeinturm-Problem” seien. Nun konzentriert er sich darauf, den Anlegern, die sich betrogen fühlen, in der Praxis zuhelfen,

Nach Darstellung Fuellmichs laufen die meisten unseriösen Geschäfte mit denen seine Kanzlei zu tun hat, nach demselben Muster ab:
Vermittler oder ,,Drücker”, wie Fuellmich sie nennt, überreden Interessierte, oft im Bekanntenkreis, Geld in bestimmte Objekte zu investieren. Sie versprechen unter anderem, die entsprechende Immobilie sei in wenigen Jahren mit Gewinn zu verkaufen. Steuervorteile und Mieten würden die monatliche Zinsbelastung abdecken, glauben die Kunden nach Gesprächen mit verkaufspsychologisch bestens geschulten ,,Drückern”.

,,Mitternachtsnotare”, in Experten-Kreisen ein gängiger Begriff, bringen das Geschäft auf Drängen des Vermittlers schnell unter Dach und Fach oft noch am späten Abend, außerhalb der üblichen Arbeitszeiten. Der Kunde soll nicht zum Nachdenken kommen.

• Die ,,Drücker” arbeiten für Vertriebsfirmen, die Finanzierung läuft über Banken oder Bausparkassen — nie über die Hausbank des Kunden, die Finanzlerung ist bereits vor Vertriebsbeginn ausgehandelt. Die Vertriebsfirmen und die oft angegliederten Mietgarantiefirmen sind nach Fuellmichs Erfahrungen oft nach wenigen Jahren pleite - und die Anleger warten dann vergeblich auf die zugesicherten Mieteinnahmen. Ähnlich ging es nach Angaben des Rechtsanwaltes auch den Käufern einiger Objekte in Hildesheim, zum Beispiel in der Steuerwalder Straße.
So hat es nach Ansicht Fuellmichs wenig Zweck, gerichtlich gegen die Vertriebsfirmen vorzugehen. Die seien zwar juristisch relativ leicht zu ,,packen" - doch viel zu oft zahlungsunfähig. ,,Da ist in der Regel kein Geld zu holen.~’
So hat die Anwaltskanzlei insgesamt 150 Musterverfahren gegen Banken in Gang gebracht, über die letztlich die Finanzierung läuft. Seine Kanzlei habe inzwischen 22 dieser Verfahren gewonnen, berichtet Fuellmich. Bisher sei jedoch nur ein entsprechendes Urteil rechtskräftig.